Baeza und Úbeda sind emblematische Weltkulturerbestädte
Diese beiden historischen und einmaligen Städte in Andalusien wurden mit Recht in die Welterbeliste aufgenommen. Die Grundidee der Welterbekonvention und der aus ihr resultierenden Welterbeliste ist es, Natur- und Kulturerbestätten von außergewöhnlichem universellem Wert für die gesamte Weltgemeinschaft für gegenwärtige und zukünftige Generationen zu bewahren.
Bis heute ist Spanien reich an imposanten Burgen, von denen manche bereits aus den Jahrhunderten der maurischen Herrschaft (711 bis 1492) stammen, an machtvollen Festungen, ubiquitären Kapellen, Kirchen, Basiliken, Kathedralen sowie trutzigen Klöstern, eleganten Palästen und repräsentativen Schlössern. Zahlreich vor allem aus Zeiten, in denen Spanien Weltreich war – und zwar eines, in dem (unter dem Habsburger Kaiser Karl V.) die Sonne nie unter ging.
Das Weltreich und mit ihm Herrschergeschlechter vergingen, Spanien verpasste den Anschluss an die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts, das Land verarmte, und den steinernen Zeugen vergangener, glorreicher Zeiten gingen ihre profanen Zwecke, ob zur Verteidigung, zum Wohnen und Repräsentieren oder als Manifestation der Allmacht der katholischen Kirche entweder verloren oder sie überlebten sich schlicht – mangels materieller Voraussetzungen, sie im alten Stile weiter zu unterhalten.
Der Zahn der Zeit erhielt vielerorts ausführlich Gelegenheit, an der Bausubstanz zu nagen. Bis Mitte der 1920er Jahre eine Idee zumindest mancherorts Abhilfe zu schaffen begann, die puristischen Denkmalschützern allerdings kaum zusagen dürfte. Im Zuge des staatlicherseits bereits seit 1910 vornehmlich aus wirtschaftlichen Gründen ventilierten Ansatzes, eine bis dato fehlende nationale Hotelstruktur zu entwickeln, sollten unter anderem historische sowie kulturelle Denkmäler umgenutzt werden. Ziel war es, den – auch internationalen – Tourismus anzukurbeln. Zugleich wollte man quasi en passant das rückständige Image Spaniens im Ausland aufpolieren.
Doch die Sache zog sich. Erst 1926, so die offizielle Darstellung, habe sich der damalige König Alfonso XIII. der Angelegenheit ganz persönlich angenommen und den „besten Standort für das erste Etablissement“ bestimmt. Die royale Wahl fiel auf die landschaftlich reizvolle Sierra de Gredos westlich von Madrid. Dort öffnete 1928 der erste Parador, zunächst jedoch ein Neubau. Heute bringt es die gleichnamige Hotel- und Restaurantkette auf 98 Häuser, die Mehrzahl davon in historischen Gemäuern.
Auf der Anfahrt nach Andalusien, südlich von Albacete, am Straßenrand hin und wieder ein für mitteleuropäische Blicke Faszinosum – ausgewachsene Bäume ohne sichtbare Blätter, dafür über und über mit malvenfarbenen Blüten übergossen: Jacaranda-Bäume. Eine invasive Art – wie solche Zudringlinge heute genannt werden –, gelangte sie doch vor Jahrhunderten im Gefolge spanischer Konquistadoren aus Südamerika hierher. Und ein gelungenes Beispiel dafür, dass die invasiven (Arten) von heute durchaus die einheimischen von morgen werden können …
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Am Beginn unserer Reise machen wir Station in Baeza. Die Stadt war im Zuge der katholischen Reconquista die erste Rückeroberung in Andalusien. Das geschah bereits 1227. Zeugnisse der vorangegangenen maurischen Herrschaft weist der Ort heute keine mehr auf. Dafür aber reichlich imposante Bauwerke der andalusischen Renaissance, in erster Linie natürlich Kirchen, aber auch die alte Universität. Äußere Eleganz war dabei offenbar wenig gefragt, was auch daran liegen mag, dass es die luftig-filigrane Leichtigkeit der Gotik nie wirklich bis Südspanien geschafft hatte. Der Baustil hier ist vielmehr wuchtig, einschüchternd, wehrhaft. Unter Herrschaftsaspekten dürfte sich jeder Normalverbraucher, der eines solchen Trumms wie etwa der Kathedrale von Jaen (dazu mehr in der nächsten Folge) ansichtig wurde, nicht nur nichtig vorgekommen sein, auch sofort daran gemahnt gefühlt haben, wo der Bartel den Most holt.
Sitzt man in Baeza am späten Samstagnachmittag am Rande des zentralen Paseo de la Constitución in einer Taverna, gut geschützt durch einen Sonnenschirm – die Tagestemperaturen bewegen sich hier Anfang Mai auf den Abend hin bereits stetig oberhalb der 25 Grad Celsius –, um sich an einem eisgekühlten Bier zu laben, dann kann man die beschauliche Atmosphäre der Stadt in Ruhe auf sich wirken lassen. Auch beim Rundgang am Sonntagvormittag herrscht in den Straßen tote Hose. Wenn allerdings um 12:30 Uhr in der trutzigen Iglesia de San Pablo unweit des Paseo de la Constitución eine Taufe angesetzt ist und wenige Minuten zuvor die Hauptglocke dieser Kirche zu schlagen beginnt – mit metallener Härte und nicht nur ohren-, sondern sinnesbetäubender Lautstärke –, dann bleibt dem Täufling nur zu wünschen, dass er sich bereits im Inneren des dämpfenden, weil sehr massiven Gemäuers befindet, während es dem Touristen vor dem Eingang die Zahnplomben lockert.
Die Anfahrt zum Parador von Úbeda, nächstes Reiseziel, nur knapp zehn Kilometer von Baeza entfernt, erweist sich als Horror am helllichten Tage. Die für den Autoverkehr zugelassenen Gässchen der Altstadt sind stellenweise so schmal, dass Fußgänger in Hauseingänge ausweichen müssen. Trotz eingeklappter Außenspiegel beschleicht den Fahrer bisweilen das Gefühl: bis hierher und nicht weiter. Zusätzlich spinnt das Navi, hat einen Rundkurs verordnet, der zwar immer wieder an denselben Fassaden vorbei-, aber nicht zum Ziel führt. Es machen sich erste Anzeichen von Panik bemerkbar. Und wenn dann der nachfolgende PKW-Fahrer, offenbar genervt ob unserer dilettantischen Schleichfahrt, auch noch sein Auto verlässt, nach vorn kommt und uns auffordert, das Fenster zu öffnen … Doch dieser Fahrer erweist sich als ausnehmend freundlicher Spanier, der uns in sehr viel besserem Deutsch, als wir es ihm mit unserem rudimentären Spanisch hätten gleich tun können, erst nach unserem Ziel fragt und uns dann zu diesem vorausfährt. Große Erleichterung. Und – muchas gracias!
Der Parador selbst residiert in einem Renaissance-Palais aus dem 16. Jahrhundert. Monumental von außen, doch mit erstaunlich „leichtfüßigem“ Interieur. Der nach oben offene Patio, er wird schon den Erbauern Ruhe und Kühle gespendet haben, ist heute nicht nur verglast, sondern auch mit mobilen Sonnensegeln versehen. Ihn umläuft in Höhe des ersten Stockwerkes eine breite Galerie, die auf ziemlich schlanken Säulen ruht und von der ein Teil der Hotelzimmer abgeht. Das Ambiente des unseren – mit etwa 25 Quadratmetern großzügig bemessenen – wird durch zwei dunkelbraune Holzbetten mit eleganten Baldachinen geprägt, die der lichten Raumhöhe von etwa sechs Metern ihre in der Horizontalen befremdliche Wirkung nehmen. Über reinweißen Wänden eine dunkelbraune Holzbalkendecke, die ihr ästhetisches Gegengewicht im kleinteilig, vorherrschend in Brauntönen gefliesten Fußboden findet. Klassisch andalusisch mit kleinen farbigen Ornamentfliesen durchsetzt. Das Mobiliar und die Wandschränke sind ebenfalls in Holz und dunkelbraun gehalten. Und auch der zugehörige Sanitärbereich – gediegenes Parador-Niveau, wie wir es auf unserer ersten Reise schätzen gelernt haben.
Gelegen ist der Parador an der Plaza Vasquez de Molina, benannt nach einem Adelsgeschlecht, dessen Palacio ebenfalls an der Plaza liegt, zurzeit eingerüstet wegen Restaurierung. Die Plaza insgesamt ist eines der besterhaltenen geschlossenen Renaissance-Ensembles in Europa. Zugehörig des Weiteren die Basilika Santa Maria de los Reales Alcázares und die Cárcel del Obispo, eine frühere bischöfliche Haftanstalt, in der heute passenderweise die regionale Justizverwaltung residiert. Nebenan, ebenfalls in historischem Gemäuer, das Polizeikommissariat.
Und dann ist da noch ein weiterer gewaltiger Sakralbau, der allein mit den 28 Metern Höhe seines Mittelschiffes den Dom zu Halle an der Saale, der Heimatstadt des Autors, um stattliche zehn Meter überragt. Nur dass es sich hier nicht nur nicht um einen Dom, ja nicht mal um eine Kirche handelt, sondern bloß um eine „schlichte“ Kapelle – die Sacra Capilla del Salvador, im Inneren strotzend vor barockem Goldglanz. Die hat sich im 16. Jahrhundert Francisco de los Cobos y Molina, einer der damals Überreichen der Stadt, mal so als Grablege für sich und die Seinen hinstellen lassen.
Und über allem zu dieser Jahreszeit – der betörende Duft blühender Orangenbäume, die in der Altstadt von Úbeda, wie auch in Baeza, auf Straßen und in Parks zahlreich zu finden sind, sowie das muntere Zwitschern zahlloser Schwalben. Bloß Tauben und ihre Exkremente sind hier nirgendwo zu sehen.
Eine der wichtigsten Einnahmequellen der einheimischen Bevölkerung, sind die vielen, Jahrhunderte alten Töpfereien. Hierbei unterscheidet sich die Keramik aus Úbeda durch ihre olivgrüne Farbe. Auch aus Espartogras, einem weiteren Produkt aus dieser Gegend, werden dekorative Gegenstände hergestellt. Seit der Renaissance wird auch Eisen für Gitter geschmiedet und in Form gebracht.
Ubeda war seit dem Mittelalter eines der Hauptzentren der Keramikherstellung und Töpferei. Die Töpferei ist auch heute noch eines der Identitätszeichen der traditionellen Stadtkultur. Bei der Gestaltungen und Mixturen der einzigartigen Keramikkunstwerke, wird immer noch die authentische Produktpalette mit den Formen und Techniken der Mudejar-Tradition pflegt.
Die Berühmteste und auch älteste Töpferei in Úbeda ist die Familie und Firma Tito. Tito-Keramik ist eine der bekanntesten „Keramik-Namen“ in Spanien. Señor Tito wurde 2006 sogar als bester Handwerker ausgezeichnet. Grundsätzlich stellt er Reproduktionen in traditioneller andalusischer Keramik von Hand her. Tito fertigt auf seine ganz spezielle Weise eine populäre Keramikkunst. Er verbindet seine modernere Arbeitsweise mit den historischen Erkenntnissen der Jahrhunderte.