Carmona und Córdoba – Spanische Impressionen

Der Begriff Alcázar geht auf das arabischen al-qa?r (Festung, Burg, Schloss) zurück und ist in den ehemals maurischen Regionen Spaniens gebräuchlich.

Der Alcázar von Carmona präsentiert sich als hoch gelegene Festungsruine, die bei der Anfahrt durch das flache Umland schon aus weiter Entfernung sichtbar wird. In die Ruine geschmackvoll ein- und in der Firsthöhe angepasst – der Parador de Carmona. Bei aller Gediegenheit des Interieurs allerdings ein besonders schlechter Witz: bei einer Temperatur von 32 Grad Celsius am 13. Mai darf der Pool des Hotels nicht benutzt werden. Denn die Badesaison beginnt offiziell erst am 25. Juni, und daran wird sich gefälligst gehalten. Die Spanier gelten in Formalien nicht umsonst als die preußischeren Preußen.

Parador-Reisende nehmen Carmona zum Ausgangspunkt für einen Besuch der knapp 40 Kilometer entfernten, überaus geschichtsträchtigen andalusischen Hauptstadt Sevilla, die selbst keinen Parador ihr Eigen nennt. Wir kannten Sevilla bereits von früheren Reisen her.

Parador de Carmona

Carmona selbst ist ein kleines Nest, das neben einer römischen Nekropole und einem gewaltigen Stadttor (Puerta de Sevilla) touristisch wenig zu bieten hat, es sei denn, man lässt bereits die übliche spanische Kirchendichte – kaum hat man der einen den Rücken zugewandt, sieht man bereits die nächsten beiden – als Highlight gelten.

Anders ist das allerdings Mitte Mai zur Zeit der Feria, dieses typisch spanischen Volksfestes mit seiner Mischung aus Folklore, Kirmes und hallenartigen Schankzelten, zu dem sich stets Massen versammeln.

Gut, um die Fahrgeschäfte mit ihren überall gleichen Angeboten vom behäbigen Karussell für die Jüngsten bis zu den Nervenkitzlern für ab Teenager aufwärts sowie um die Losbuden mit ihren kindergroßen Plüsch-Pandas, -Krokodilen et cetera kann, wem schon die überlaute Musik nicht zusagt, einen Bogen machen. Doch bereits in den Schankzelten unterhält man sich vor allem, wenn auch in der typisch spanischen Lautstärke einer Kesselflickerei, aber es wird zumindest – in der Regel – nicht um die Wette gekippt wie etwa auf dem Oktoberfest.

Doch der Clou ist das Defilee hunderter Spanierinnen aller Altersklassen in ihren auf den Leib geschneiderten farbenprächtigen Flamencokleidern, von eher schlichter Eleganz bis hin zu abenteuerlichen Faltenwürfen, die Damen stilvoll geschminkt, die Haare in der Regel streng nach hinten frisiert und mit dezentem bis üppigem Blumenschmuck versehen – atemberaubend. (Die zugehörigen Männer häufig in einer Pose, für die die Metapher „stolz wie ein Spanier“ einst erfunden worden sein könnte.) Und noch ein Hingucker – junge Caballeros in klassischer Tracht mit breitkrempigen flachen schwarzen Hüten auf edlen Rössern …

Das Restaurant La Yerda, nur fünf Fußminuten vom Parador Carmonas entfernt, befindet sich in einem schattigen Patio und hat eine Michelin-Empfehlung von 2021. Wir hatten nach unserem Besuch nichts dagegen einzuwenden.

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Bei der Anfahrt auf Córdoba, unser nächstes Ziel, über Feldern und Wiesen im Vorfeld der Stadt am Himmel dutzende kreisende Weißstörche, denen die von den Temperaturen her – nach deutschem Verständnis – bereits hochsommerliche Thermik nahezu keinen Flügelschlag abverlangt. Allweil Storchennester auf Strommasten, kahlen Palmenstämmen und anderen geeigneten Örtlichkeiten.

„Córdoba es mas andaluz“ (… ist andalusischer), behauptet die Eigenwerbung, und das meint wohl vor allem im Vergleich zu Sevilla und Granada. Ob dies zutrifft, mag jeder Besucher selbst entscheiden, doch dass die quirlige Altstadt etwas Besonderes hat mit ihren zahllosen Gassen, den immer wieder schattigen Plätzen und kleinen Parks, mit ihren Brunnen, Cafés, Restaurants sowie historischen Sehenswürdigkeiten – die Besucherschlange vor dem Alcázar de los Reyes Catholicos (zu jenen Katholischen Königen ausführlicher im Blättchen 12/2022), wo einst Cristóbal Colón vor den Majestäten seine Pläne erläuterte, wie der Seeweg nach Indien zu finden sei, maß gut 100 Meter – wird niemand bestreiten. Daran ändern auch die zu vielen Souvenir-, Geschenk-, Schmuck- und sonstigen Läden mit Touristentinnef nichts.

Die unangefochtene Krone unter den Sehenswürdigkeiten gebührt dabei natürlich der Mezquita-Catedral de Córdoba (Moschee/Kathedrale von Córdoba), in der Regel nur Mezquita genannt. Ruhm und Ehre, gern auch im Himmel, jenen Entscheidern, die nach der Rückeroberung Cordobas von den Mauren im Jahre 1236 befanden, dass der Bezeugung des Sieges des rechten, also des katholischen Glaubens über den Islam besser als mit der Zerstörung dieser Moschee damit gedient sei, sie umgehend zur christlichen Kathedrale zu weihen. So geschah es. Das Bauwerk war mit 23.000 Quadratmetern Grundfläche – der Petersdom fände locker darin Platz – seinerzeit immerhin eine der größten muslimischen Gebetshallen der Welt. Ein „Flachbau“ mit 19 etwa gleich hohen Schiffen mit bis zu 36 Jochen, getragen von übereinander liegenden Hufeisen- und Rundbögen auf einem Wald von ursprünglich insgesamt über 1000 Säulen aus Jaspis, Onyx, Marmor und Granit, beim Bau teilweise Ruinen aus römischer Zeit entnommen.

Knapp 300 Jahre nach der Rückeroberung genehmigte Kaiser Karl V., in die Mitte der Mezquita ein konventionelles Kirchenschiff zu setzen. Dafür mussten zwar etliche Bögen und Säulen weichen, doch von letzteren immer noch 856 sowie die gesamte übrige Bausubstanz erhalten geblieben. Übrigens einschließlich der besonders gekennzeichneten sogenannten Qibla-Wand, die üblicherweise die Ausrichtung eines Gebäudes zur Kaaba in Mekka, dem Zentralheiligtum des Islams, markiert und ein Gebäude damit überhaupt erst zur Moschee macht. Im Falle der Mezquita ist die Ausrichtung allerdings eine südliche, gemäß der Tradition der seinerzeit herrschenden Umayyaden, jenes Stammes, dem auch der Religionsgründer Mohammed entsprossen war.
Historische Reminiszenz: Vor etwa 20 Jahren pilgerten regelmäßig Muslime in ihrem traditionellen Outfif (Burnus) nach Córdoba, um vor der Qibla Gebete zu verrichten und so einen fortbestehenden Glaubens- und Rechtsanspruch des Islams auf die Mezquita zu demonstrieren. Was damals zu ebenso regelmäßigem Eingreifen spanischer Ordnungskräfte führte, um dies zu unterbinden.

Seit nunmehr fast 700 Jahren wird in der Mezquita täglich die katholische Messe zelebriert und so zugleich dafür gesorgt, dass dieses einzigartige Gesamtkunstwerk von uns Heutigen bewundert werden kann. Keine Selbstverständlichkeit angesichts des Furors, mit dem während der Reconquista und später gewöhnlich maurische Hinterlassenschaften getilgt wurden.

Von der Mezquita aus erreicht man in wenigen Fußminuten den Guadalquivir, der einst ein kräftiger Strom gewesen sein muss. Davon zeugen jedenfalls die mächtigen Flutabweiser an der gut erhaltenen Römischen Brücke, die den Fluss, oder besser das behäbige Rinnsal, das davon übrig ist, in 16 Bogen überspannt. Vom gegenüberliegenden Ufer zeigt sich die Mezquita in ihrer ganzen erhabenen Größe.

Parador de Cordoba

Mitte Mai findet in Cordoba die alljährliche Fiesta de los Patios statt, ein offizieller Wettbewerb um den am schönsten gestalteten der zahllosen, den Bewohnern Schatten und Kühle spendenden Innenhöfe der Stadt. Im Vorfeld der Ausscheidung öffneten am 15. Mai, einem Sonntag, morgens um 11.00 Uhr – unter anderem in einem Viertel nahe dem Alcázar des los Reyes Catholicos – etliche sonst als Privatbereiche nicht zugängliche Patios ihre Pforten für das Publikum. Das wollten wir, da schon die vielen üppig mit blühenden Pflanzen geschmückten Balkone in den Gassen der Altstadt eine Augenweide sind, uns nicht entgehen lassen, und waren daher pünktlich vor Ort. Nur dass leider etwa 1000 weitere Interessierte noch etwas pünktlicher waren als wir und sich bereits in langen Schlangen vor praktisch jedem der Patios aufgereiht hatten. So blieben uns nur flüchtige Blicke im Vorbeigehen …

Der Parador de Cordoba ist ein Bau aus neuerer Zeit, in ruhiger Lage, einige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Ausstattung und Service sind in Ordnung. Freitag, Samstag spielt ein französischer Pianist, der in Venezuela aufgewachsen ist und seit einigen Jahren in Cordoba lebt, auf der Terrasse der Cafetertia dezent modernes Internationales. Musikwünsche können in Französisch, Spanisch und Englisch geäußert werden.

Wolfang S. aus Berlin