Spanien ist anders

Dass Spanien anders ist, kann sich jeder gut vorstellen, deshalb fahren und fliegen jedes Jahr viele Urlauber nach Spanien. Eigentlich ist jedes Land anders. Das stimmt schon, aber ich bleibe bei der These: Spanien ist ganz anders – und das ist auch gut so – für den Urlauber.

Da ich seit über 20 Jahren mein eigenes Reisebüro in Andalusien betreibe und dort auch unsere spanische Zentrale als Reiseveranstalter ist, weiß ich, wovon ich schreibe. Und hier zeigt sich, dass Andalusien noch mal mehr „anders“ ist als Spanien.

Dazu ein kurzes, alltägliches Beispiel: ein wichtiges und viel genutztes Wort in Spanien ist mañana, also morgen. Das wird immer dann benutzt, wenn es um die Terminabsprache für irgendwelche Arbeiten oder sonstige Termine geht.

Der „normale“ Spanier sagt mañana, also morgen, meint aber übermorgen, was auch oft dann eingehalten wird. Auch der Andalusier sagt mañana, allerdings mit einer anderen, für Andalusien typischen Bedeutung. Eigentlich meint der Andalusier auch übermorgen, lebt aber eher in dem Zeitfenster „irgendwann“.

Als ich in den ersten Jahren meiner Tätigkeit in Andalusien in Nerja in einer Sprachschule meine Spanischkenntnisse verbessern wollte, erklärte mir mein Lehrer den Widerspruch dieser Aussage in Andalusien. Er sagte mir, dass die Spanier die Deutschen um ihre Zuverlässigkeit beneiden. Seine Begründung war für mich sehr einleuchtend:

Jeder Spanier braucht auch mal einen Handwerker, der aber fast nie wie vereinbart erscheint. Auch dieser Handwerker braucht mal jemanden, mit dem er sich geschäftlich verabredet, der aber nicht erscheint. Jeder ärgert sich darüber, aber keiner ändert etwas. Das ist die gelebte Konsequenz dieses Landes.

Sicher gibt es sehr viele Spanier, die zuverlässig arbeiten. Dennoch ist der „Geist“ von „mañana“ noch sehr verbreitet und wird als eine Art entspannte Lebensform gerne praktiziert.

Mit einer ähnlichen Konsequenz verschieben sich auch in anderen Lebensbereichen die Prioritäten. Dabei ist zu erkennen, dass Spanien anders ist. In vielen öffentlichen Bereichen wird es oft nicht so genau genommen. So sind in vielen kleinen Orten die Stromleitungen in einem Wirrwarr an die Häuser genagelt oder sie baumeln über die Strasse.

Das wird mit der gleichen Konsequenz ignoriert, wie der Strand bei manchen Urlaubsorten mehrfach im Jahr durch das Meer weggespült wird. Mit der gleichen Regelmäßigkeit, mit der der Strand verschwindet, erscheinen viele Lastkraftwagen und füllen den Strand in wochenlanger Arbeit wieder auf. Dabei könnte die Frage auftreten, wer hat einen Nutzen davon? Korruption ist in Spanien ein sehr großes Thema, auch das wird konsequent gelebt.

Mit der gleichen Konsequenz, die hier nur mit einem Bruchteil von Themen beschrieben werden kann, werden wir als Unternehmen in Spanien, mit einem deutschen Inhaber,  mehrfach im Jahr durch staatliche Inspektoren kontrolliert.

Während die Inspektoren unsere spanischen Nachunternehmen wenig bis gar nicht überprüfen, achten sie bei uns auf die kleinsten Kleinigkeiten. Dieses Jahr wurde bemängelt, dass auf dem Sicherungskasten, der in einem verschlossenen, separaten Raum ist, nicht der vorgeschriebene gelbe dreieckige Aufkleber angebracht ist. Auch fehlte das Hinweisschild für den Notausgang und das Schild für den gut sichtbaren Feuerlöscher.

Alle diese festgestellten Mängel, die in den vielen Jahren gefunden wurden, gehen immer mit der Androhung einer saftigen Geldstrafe in drei- bis vierstelliger Höhe einher. Wie bin ich eigentlich zu diesem unschönen Thema in diesem tollen Land gekommen?

In der Welt kompakt habe ich gelesen, dass in diesem Mai 2011 junge Leute in Spanien gegen die Korruption und gegen die Politik demonstrieren. Auch richten sich die Demonstrationen gegen die hohe Arbeitslosigkeit. In Spanien leben 41 Millionen Menschen, davon sind 5,5 Millionen arbeitslos gemeldet. Die Statistik besagt, dass in ganz Spanien 20 % und in der Provinz Málaga in Andalusien sogar 38 % arbeitslos sind.

Selbst meinen spanischen Freunden kommt diese große Zahl an Arbeitslosen „spanisch“ vor.
Den meisten geht es nicht wirklich schlecht und die allgemeine Situation im Land ist sehr stabil, weil? Ja, weil doch eigentlich viele Arbeit haben. Die Spanier wissen aber auch, dass viele Arbeiten ohne Rechnungen erledigt werden.

Wie auch immer das ausgehen mag, wir, meine Frau, meine Kollegen und Mitarbeiter lieben „unser“ Spanien und hoffen und wünschen allen, das es für jeden besser wird und Ihnen wünschen wir einen schönen Urlaub.